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Rumänien 2017
Schon vor rund zwei Jahren verabredeten Jockel und ich gemeinsam mit dem Motorrad nach Rumänien zu fahren. Schlussendlich kam Toddy1956 ebenfalls mit. Wir reisten mit Kastenwagen und mit Hänger an und trafen uns am Pfingstsamstag 2017 im rumänischen Ort Lipova.
Jockel mit einer neueren Honda Transalp, Toddy mit einer 25 jährigen und zweizylindrigen Kawasaki KLE500 mit 27 PS (seine Aussage, aber es waren wohl ein paar Pferde mehr am Werk) und ich mit einer 20-jährigen Eintopf-Suzuki Freewind 650 mit 47 PS.
Anschließend begaben wir uns in den kleinen Ort Vale bei Sibiu. Hier schlugen wir unser Quartier auf. Sehr empfehlenswert, sauber und hoher Standard!
Weil wir neben Straße auch Offroad fahren wollten, wählten wir diese Maschinen. Für normale Onroad Abenteuer würde ich bedenkenlos mit meiner FJR fahren. Unser befahrenes Gebiet war die Region um Arad, Sibiu (Hermannstadt), Brasov (Kronstadt), Sighisoara (Schäßburg) sowie die Pässe Transalpina und Transfagarasan. Nur über diese Gegend handelt mein Bericht.
Nun die Fakten – alles aus eigener Erfahrung.
Anreise:
Problemlos über Österreich und Ungarn – Grenzübergang Passau bis Grenze Nadlac = 720 Kilometer. Autobahngebühren für Österreich, Ungarn und Rumänien einplanen! Verkauf der Plaketten an den jeweiligen Grenzstationen, an Tankstellen oder auch schon vorher im Internet. Die Qualität der Autobahnen ist eher besser als in Deutschland. Höchstgeschwindigkeit 130 km/h.
Straßen in Rumänien:
Damit fange ich mal an, weil der Straßenzustand für den Motorradfahrer oberste Priorität hat und um die Vorurteile über rumänischen Straßenverhältnisse zu entkräften.
Die von uns genutzten Autobahnen wiesen einen sehr guten Zustand aus.
Die Straßen erster Kategorie (Nationalstraßen, rote DN-Nummer-Bezeichnungen) sowie die Europastraßen waren von guter Qualität.
Die Straßen zweiter Kategorie (blaue DJ-Nummern Bezeichnungen, vergleichbar in etwa mit deutschen Landstraßen) sind von ordentlicher Qualität.
Straße zweiter Kategorie, die "blaue" 106
Die Straßen, welche mit gelben Nummern ausgewiesen sind, sozusagen Kreis- und Gemeindestraßen, haben oft eine schlechte Beschaffenheit. Es können auch Schotterpassagen dabei sein. Hier sollte bei der Nutzung mit einem Straßenmotorrad vorausschauend geplant und gefahren werden. Aber auch diese Straßen werden neu geteert. Überall sind Hinweise auf die Erneuerung mit EU-Mitteln aufgestellt.
Nur als ein Beispiel von vielen: Eine Straße, die auf der Landkarte und im Garmin als unbefestigt ausgewiesen war, hatte eine relativ neue Teerdecke und ließ sich klasse und sportlich bewältigen.
In den Ortschaften sind die Hauptstraßen geteert, die Wohnstraßen oftmals nicht.
Die Horrorgeschichten von riesigen Löchern im Teer kann ich bei den Straßen erster und zweiter Kategorie nicht bestätigen. Wie überall sollte man seinen Fahrstil so anpassen, dass man immer die Möglichkeit zum rechtzeitigen Ausweichen und Bremsen hat.
Natürlich befindet sich viel Vieh, angefangen von Kühen bis über Pferde, Ziegen und Schafe, auf der Straße. Und deren entleerter Darminhalt ist beim Überfahren rutschig. Daher: Bei Tieren auf der Straße kann man mit rutschiger Wegstrecke rechnen. Im Umkehrschluss: Bei Flecken auf der Straße kann man mit den dazugehörigen Tieren rechnen.
Das Tempolimit in den Ortschaften dient dem Rumänen meist nur als Vorschlag. Nominell gilt Tempo 50. Wir fuhren meist zwischen 50 und 70 km/h. Und wurden oft von Autos überholt. Auch 3,5 Tonner fuhren an uns vorbei. Auf den Europastraßen kennen sogar Fahrer von 40 Tonnen-LKW keine Gnade und überholen – auch Motorradfahrer!
Die Pässe:
Der 148 Kilometer lange Pass Transalpina führt in Höhen von rund 2.150 Metern. Man kann den Pass in verschiedenen Versionen befahren. Wir wählten für unsere Tour die Hin- und Rückfahrt auf derselben Strecke aus. Mit Ausnahme von zwei Brücken, die allerdings kurz vor Fertigstellung standen, war die Straße in gutem bis sehr gutem Zustand. Wenn wir nicht wüssten in Rumänien zu sein, könnten wir meinen, es wären die Alpen. Der gesamte Pass ließ sich zügig befahren. Es herrschte geringes Verkehrsaufkommen.
Unterwegs auf der Transalpina
Ein „Muss“ für den Motorradurlaub in Rumänien ist natürlich der Transfagarasan (in Deutsch: Transfogarascher Hochstraße, 2.050 m Höhe). Vom Fernsehmagazin Top Gear zur besten Passstraße der Welt gekürt. Diese gut 100 Kilometer lange abenteuerliche Strecke wurde als touristisches Objekt Anfang der 70er Jahre erbaut. Die Straße ist nur vier Monate im Jahr, zwischen 1. Juli und 30. Oktober, geöffnet.
Wir befuhren die Strecke am 13. Juni. Die Einfahrt war durch Betonblöcke und ein Verbotsschild gesperrt, aber nachdem viele Autos und Motorräder um diese Hindernisse herum nach oben fuhren, taten wir es ihnen nach.
Gesperrt? Oder doch nicht?
Am oberhalb gelegenen See hatten einige touristische Verkaufsstände geöffnet, obwohl die Seilbahn, mit der man diesen Bereich hätte erreichen können, außer Betrieb war. Und die Straße war offiziell ja gesperrt. War der Markt denn nur für die Handvoll Wanderer geöffnet? So wie wir in Erfahrung brachten, wird jedoch das Durchfahren des Passes in Sperrzeiten toleriert, so lange die Strecke frei von Schnee und Geröll ist.
Weiter oben wurde mit einem Radlader der letzte Schneeberg entfernt. Kurz dahinter reinigte man die Straße von abgerutschtem Geröll. Ein wenig bergab wurden Leitplanken repariert. Die Bauarbeiter winkten uns immer freudig zu.
Zurück fuhren wir den gleichen Weg wie auf der Hinfahrt. Dieses Mal von Süden nach Norden. Die bereits kennengelernten Bauarbeiter bereiteten sich schon auf den Feierabend vor, der Schneeräumer räumte einige Meter entfernt den letzten Schnee davon. Das Wetter war spitze und wir genossen das geringe Verkehrsaufkommen genauso, wie die wärmende Sonne am Firmament.
Die Motorräder:
Während unseres gesamten Rumänienurlaubes waren alle Arten und alle Marken von Motorrädern auf den Straßen zu sehen. Auffallend viele Harleys, Victorys und großvolumige Chopper, viele Tourenmotorräder. Der Anteil an Enduros lag vielleicht bei knapp 40%, davon aber weniger als die Hälfte BMW GS. Also atypisch für die uns sonst bekannten Motorradregionen. Honda VFR und Yamaha R1 sowie weitere Sportmotorräder kreuzten unsere Wege. Auch einige FJR fuhren herum!
Viele Nationalitäten, besonders Ungarn und Litauer, aber auch Polen, Italiener, Schweizer, Engländer, Deutsche und rumänische Motorradfahrer trafen wir auf unserem Weg. Im Gasthof südlich des Gipfels lernten wir eine (unbestätigte) polnische Sitte kennen. Die gerade eingetroffenen polnischen Motorradkumpels schüttelten im Gasthof jedem einzelnen, der nach Motorradfahrer aussah, freundlich und kräftig die Hand.
Offroad:
In Rumänien gibt es keine Verbotsschilder an Wald- und Wiesenwegen. Überall kann man sich frei in der Flur bewegen. Oft begegnet einem, nach einer Stunde Offroad, also einige Kilometer von der nächsten Siedlung entfernt, ein Fahrzeug im Wald. Das kann von einem Pferdefuhrwerk über einen Geländewagen auch mal ein normaler PKW oder sogar ein Kastenwagen sein. Für rund 20 Kilometer unbefestigte Wegstrecke benötigten wir im Schnitt eine Stunde.
Die Wege sind von unterschiedlichem Zustand. Teilweise mussten wir umkehren, weil der Weg zu schmierig wurde. Allerdings trauten wir uns mutig Pfützen, teilweise 5 x 3 Meter groß, zu durchqueren. Einmal warnte uns die Besatzung eines Pferdefuhrwerkes vor einer Wasserdurchfahrt. Die folgende Pfütze sollte knietief sein. Allerdings Pferde-Knie-tief! Wieder ein Grund für uins klug zu sein und umzukehren oder eine andere Strecke zu wählen.
Im gesamten Urlaub planten wir rund 100 Kilometer unbefestigte Wege ein. So erlebten wir viel mehr von dieser urwüchsigen Landschaft. Sei es tief im Wald oder hoch auf dem Gebirgskamm. Jedenfalls ist das Off-Road fahren, das geeignete Gefährt vorausgesetzt, auf jeden Fall eine Empfehlung wert. Wiederholung nicht ausgeschlossen.
Menschen und Sprache:
Auf dem Land und in den kleinen Ortschaften winkten uns die Menschen oft und freudig zu. Es gab kein Kind am Straßenrand, welches nicht winkte oder mit uns („Give me five“) einschlagen wollte. Sozialneid haben wir nirgendwo erlebt. Alle Menschen waren freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit. Die Fahrer der Pferdefuhrwerke halfen uns im Gelände (s.o.) mit ihren Berichten über den Zustand der Waldwege. Auf dem Markt wurde uns mit Händen und Füßen der Unterschied der Käsearten begreiflich gemacht. Immer hatten die Menschen ein Lächeln auf dem Gesicht.
Auch in den Städten, wie Sibiu, Brasov oder Schäßburg, waren die Menschen freundlich. Das Flair der Städte war südländisch angehaucht, die Temperaturen auch. Wir fühlten uns kein Mal in der Sicherheit beeinträchtigt oder unwohl oder etwa bedroht.
Die Jugend spricht fließend Englisch, oft auch Deutsch. Die rumänische Sprache ist, weil aus dem Lateinischen entwickelt, nach ein bisschen Eingewöhnungszeit, gut zu lesen. Wer dem französischen, italienischen oder spanischen Vokabular ein wenig mächtig ist, kommt in Rumänien gut zurecht.
Ist man freundlich zu den Menschen und zeigt Verständnis für ihre Kultur, dann klappt die Verständigung hervorragend. Das habe ich in vielen anderen Ländern genauso gelernt und erlebt.
Die Rumänen sind der EU gegenüber positiv eingestellt. Viele Orts- oder Bezirksschilder zieren, neben der rumänischen, auch die EU-Flagge. Hängt aus einem Haus eine rumänische Fahne, so ist die Europ-Fahne nicht weit. Auch Schilder zu Straßenbauprojekten weisen auf den Anteil an EU-Mitteln hin. Einmal begegnete uns mitten im Wald ein solches Schild. Danach hörten die Schlaglöcher im Schotter schlagartig auf. Der Weg war zwar weiterhin geschottert, aber gut eingeebnet und ohne die Löcher.
Währung, Kaufkraft:
Die Währung (LEI/RON) kann man ungefähr durch vier teilen, um auf den entsprechenden Eurowert zu kommen. Eine Suppe (Ciorba) im Lokal kostet um die 10 LEI = ca. 2,50 €. Obst, Gemüse und Käse kauft man am besten auf dem Markt oder im Geschäft (Magazin)im Dorf. Dort bekommt man auch noch andere Dinge zu kaufen. Es gibt viel Schafskäse, der sich in der würzigen und salzigen Lake auch wunderbar hält. Ein Einkauf für einen Grillabend für fünf Personen kostete rund 5 € pro Person.
Speisen und Getränke:
Wie oben erwähnt, kann man viele Dinge im Magazin oder auf dem Markt kaufen. Auch am Straßenrand außerhalb der Orte sind öfter Verkaufsstände aufgebaut. Hier gibt es ungestempelte Eier, dafür aber frisch vom selben Tag, von der alten Oma sorgfältig aufgesammelt und gesäubert. Auch frische Milch, von derselben Oma aus der einzigen Kuh, die sie besitzt, mit ihren eigenen Händen gemolken. Kirschen aus dem eigenen Garten, Gurken und vieles mehr kann man überall in den Dörfern oder am Straßenrand käuflich erwerben.
Im Restaurant gibt es gute Suppen, die in Rumänien sehr beliebt sind. Wer Pansen mag, besonders beliebt scheint bei den Einheimischen die Kuttelsuppe zu sein (Ciorba de burta). Die schmeckt auch wirklich gut! Es werden noch vielfältigere Speisen kredenzt. Pizza und Pasta, Gulasch, Schnitzel und Steaks. Die Beilage und das Brot muss gesondert geordert und gezahlt werden.
Suppe im Brotteig - lecker...!
Auch Süßspeisen sind keinesfalls zu missachten, weil kalorienreich und lecker. Unser Liebling unter der riesigen Auswahl der Nachtische, waren Papanasi (Quarkknödel). Übrigens: Regional wird dieses Gericht, obwohl es den gleichen Namen trägt, unterschiedlich interpretiert. (Als deutscher Vergleich dazu wird beispielsweise das Sauerkraut mal mit Kümmel oder Speck oder Wacholderbeeren zubereitet. Heißt aber überall Sauerkraut).
Das rumänische Bier ist gut und vor allem verträglich trinkbar. Ebenso der Wein aus rumänischem Anbaugebiet. Mit Schnaps kenne ich mich nicht so aus, aber ich habe mitbekommen, dass sich die Rumänen gerne mal ein Schnäpschen gönnen.
Den Kaffee gibt es in kurzer und langer Version. Der lange Kaffee entspricht in etwa unserem Kaffee. Besser ist es oft, eine Limonade zu trinken. Diese wird aus frischer Zitrone, vermischt mit Zucker, Wasser und Eis, in individuellen Gläsern mit Strohhalm serviert. Die Gläser erinnerten mich oft an Vasen oder Krüge von IKEA.
Quellwasser gibt es in vielen Orten – zumindest in den bergigen Regionen. Man sollte beobachten, wohin die Einheimischen mit ihren Plastikkanistern und Flaschen gehen, um diese zu füllen. Das Wasser war jedes Mal klar, sauber und verträglich. Im Gegensatz zum Leitungswasser, welches wohl nicht immer zum Trinken geeignet sein soll.
Klima:
Während unseres Urlaubes im Juni war es sehr warm. Ständig zeigte die Skale des Thermometers zwischen 25 und 35 Grad Celsius. Klar, oben auf dem Pass ist es frischer als im Tal, aber insgesamt herrscht in Rumänien ein warmes, trockenes und kontinentales Klima.
Klischees:
Dracula – mehrere Orte Rumäniens werben mit dem Geburtshaus des Herrn Vlad, der durch das grausame Pfählen seiner Gegner bekannt und berüchtigt wurde. Die berühmteste seiner Burgen, im Ort Bran, nahe Brasov, wird touristisch vermarktet. Wir haben die Burg nur von außen besichtigt.
Wilde Hunde – die Rumänen haben ein anderes Verhältnis zu Tieren, als wir es gewöhnt sind. Es gibt viele streunende Hunde. Deren Zahl soll aber schon abgenommen haben. Überall in den Orten – und auch in der Wildnis – begegnen uns die armen Hunde-Geschöpfe. Aggressiv zu Menschen haben wir jedoch keines der Tiere erlebt. Viele Menschen aus der Bevölkerung versorgen die Tiere ab und an mit Fressen. Daher sind die Hunde eher zutraulich und an den Menschen gewöhnt.
Fern halten sollte man sich von den Hirtenhunden der Schafherden. Diese sind erzogen, Fremde und Feinde von der Herde fern zu halten, um diese zu schützen. Wer also auf unbefestigten Wegen durch Wälder und Wiesen fährt, sollte immer einen gesunden Fluchtreflex und das fahrerische Können besitzen, um im Falle eines Falles schnell das Weite suchen zu können.
Diebe und Betrüger – die Wahrscheinlichkeit, dass mir in Rumänien etwas passiert oder angetan wird, ist wahrscheinlich nicht höher als in Deutschland. Ich habe den von mir bereisten Teil als sicher und gastfreundlich erlebt. Wer der Landessprache nicht mächtig und leichtgläubig ist, wird sicherlich häufiger übers Ohr gehauen. Aber das ist in anderen Reiseländern genauso! Eine gesunde Portion Vorsicht ist während einer Reise immer angebracht. Und wie sagte es ein Bekannter von mir treffend: „Die Diebe und Betrüger unter den Rumänen sind sicher nicht in Rumänien, sondern im westlichen Ausland tätig“.
Schlechte Straßen – siehe im ersten Kapitel. Täglich werden diese besser.
Resümee:
Ich habe mich in Rumänien sehr wohl gefühlt. Die Erfahrungen vor Ort und der Gedanke, dass sich das Land in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter entwickeln wird, geben mir den Anlass, Rumänien in fünf Jahren nochmals zu besuchen, um meine Vermutung zu überprüfen. Dann vielleicht mit der FJR, wer weiß…?
La Revedere, Ralf Schreiber, im Juni 2017
Wie alle meine Berichte subjektiv aus meiner Sicht geschrieben.Hier noch weitere Links hier aus dem Forum: Rumänien nochmal Rumänien
1 x RP08 (2005-2009) + 2 x RP13 (2010-2022) über 15 Jahre lang mehr als 200.000 km
Das Leben ist zu kurz, um das Glück auf später zu verschieben! ...nichts ist unmöglich...
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