Ei Guude, wie?
Manfred, Du hast angefangen - also jetzt nicht böse sein, wenn es wieder ein episches Werk geworden ist...
Wir nähern uns hier am Beispiel unserer FJR einem, wie ich finde, eher grundsätzlichen Problem, das in drei Worten kurz beschrieben, aber nur sehr komplex im Detail erklärt werden kann: Die drei Worte: 1. Nachfrage, 2. Qualität und 3. Preis! Erschwerend kommt dazu: - Wir haben mit unserer FJR einen Kompromiss gekauft. - Wir haben uns eben nicht für eine individuelle Maßanfertigung, sondern für eine Serienmaschine, die im internationalen "Mainstream" angesiedelt ist, entschieden (wer kann sich schon Maßanfertigungen leisten?) - Wir haben einer Marke unser Vertrauen geschenkt, die weltweit agiert und vom Musikinstrument bis zum Schiffsmotor so ziemlich alles baut. Das Alles hat naturgemäß nicht nur Vor- sondern auch Nachteile. Was, aus dem Blickwinkel des einzelnen, deutschen Kunden gesehen, eigentlich gar kein Problem sein dürfte abzustellen, ist für andere Kunden beispielsweise in USA, Canada, Japan oder Australien bedeutungslos oder vernachlässigbar. Das gilt in besonderem Maße für die sog. "Global Player" und dazu zählt Yamaha zweifellos.
1. Beispiel: die 24-Stunden-Anzeige der Uhr! Würde mir persönlich auch besser gefallen - aber: Gefordert wird das nur in Westeuropa - der Rest der Welt kann damit überhaupt nichts anfangen... Nun könnte man argumentieren, dass es bei diesem "Problemchen" doch sehr einfach sein müsste, die Anzeige "wählbar" zu gestalten - jedem halt so, wie er es gerne hätte... Prinzipiell auch kein Problem, wenn es denn vom überwiegenden Kundenkreis gefordert würde - wird es aber nicht!
2. Ähnliches gilt für die Kritik an dem hinteren Federbein... Da unsere FJR üblicherweise in Ländern ihren Kundenkreis findet, in denen es überwiegend gute bis sehr gute Straßen gibt, genügt den meisten Kunden eine extrem einfache Einstellung des Federbeins: hard zu zweit - soft allein. Rest geht über die Werkstattempfehlung - mal ein paar Klicks nach rechts - mal nach links. Einmal eingestellt und "Aus die Maus"!
3. Das Problem der fehlenden Schmiernippel löst sich für Yamaha ähnlich banal in "Wohlgefallen" auf. Ohne es genau zu wissen, behaupte ich einfach mal, dass der überwiegende Teil der FJR-Fahrer sich mit dem "Abschmieren" seines Motorrades nicht mehr befassen will oder kann. Er bringt es - wie ich - einmal im Jahr zur Werkstatt und macht seine Inspektion, zahlt seinen Obolus und wieder: "Aus die Maus"! Diejenigen, die die Dinger gern dran hätten, gehören zur Kategorie "Hobby-Schrauber" (wer sonst hat eine Fettpresse zu Hause?). Ähnliches gilt für die meisten Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten, die früher zwingend vom Fahrer gemacht werden mussten - allerdings waren das damals relativ einfache Konstrukte, unsere Zündapps, Kreidlers oder Herkulesse. Später dann Maico, Honda oder Triumph... Und als das Geld und Interesse für die "Big-Bikes" da war, kam auch die mangelnde Zeit, sich so intensiv um das Teil zu kümmern, wie es früher der Fall sein musste, damit die Möhre überhaupt lief (meist auch in Ermangelung eines alternativen Fortbewegungsmittles).
4. Das Fahrlicht wird ebenfalls oft kritisiert. Warum verzichtet man seitens Yamaha auf das längst markteingeführte und anderenorts verbaute Xenonlicht? Gegenfrage: Wie viele FJR-Fahrer bräuchten es denn wirklich und wären bereit, die ganz erheblichen Mehr- und Folgekosten dafür zu bezahlen? Seien wir ehrlich: Es ist doch eigentlich egal, was tagsüber für ein Licht an der FJR brennt - man nimmt es als Fahrer ja nicht wahr und gesehen wird man mit H4- bzw. H7-Licht tagsüber genauso wie mit Xenon-Licht. Das Ganze wird also für den Fahrer erst wirklich "wahrnehmbar" wenn es ernsthaft dunkel wird... Und - Hand aufs Herz - wer fährt denn wirklich weite Strecken in unbekannten Gefilden wenn es zappenduster ist? Ich nur, wenn ich dazu gezwungen bin - freiwillig nicht (es sei denn mich überkommt irgend ein Wahnsinnsgedanke...). Für planbare "Nachtfahrten" habe ich normalerweise ein Auto. Und wenn ich mit der FJR im Urlaub oder auf Tour bin, suche ich mir vor Hereinbrechen der Dunkelheit eine angenehme Bleibe oder bin vorher wieder zu Hause. Wenn ich bisweilen nächtens vom Stammtisch heim fahre, brauche wieder kein Xenonlicht, weil ich mich in der Gegend gut auskenne und mir das Serienlicht währnd der paar Minuten dazu völlig ausreicht. Und ich kenne nicht viele, die es anders handhaben als ich.
5. Was ist mit dem Reifendruck-Kontrollsystem? Wer das haben will, kann es ja nachrüsten. Den Reifenfüllvorgang macht das zwar auch nicht entbehrlich aber es warnt den Fahrer immerhin (wenn die Batterie noch gut ist), bevor der sich an den sich lagsam einstellenden zu geringen Druck gewöhnt und es dann in Extremsituationen brenzlig werden kann. Manchmal fährt man sich ja auch einen Nagel oder eine Schraube ein, die auf der Fahrbahn herumliegt... Letztlich merke ich das und auch den schleichenden Verlust aber als halbwegs sensibler Fahrer auch so - via "Popometer". Die 2 Minuten Luftkontrolle an der Tanke alle 2-3 Wochen hat jeder Zeit für seine Sicherheit - das lasse ich mir nicht ausreden.
6. Weiteres Beispiel: der berühmte, fehlende 6. Gang! Ich vermisse ihn ständig! Mir geht es genau wie Euch! Wenn ich im 5. Gang bin und über die 3.500 Touren komme, habe ich das dringende Bedürfnis, in den nächsthöheren Gang zu schalten - man will ja den Motor schonen, nicht zu laut sein und ein wenig Sprit sparen. Und bei dem Drehmoment, das wir zur Verfügung haben, ist man geneigt, eher etwas "untertourig" unterwegs zu sein - wenn man es nicht eilig hat... Nein, keinen echten Fahrgang - nur so eine Art "Overdrive"... Ja, das wär's doch -- aber wär's das wirklich? Oder doch lieber den "echten" 6. Fahrgang? Der sportlich ambitionierte Tourer schätzt vielleicht doch eher den? Na, also wenn schon am Getriebe "rumgefrickelt" wird, dann aber richtig... So wird Yamaha vielleicht auch denken: lieber ein bewährtes, zuverlässig funktionierendes, gut abgestimmtes 5-Gang-Getriebe für alle Gelegenheiten, welches auch als Basis für eine zukunftsorientierte "Automatik" dient, als ein technisch aufwändigeres, kostenintensiveres und wartungsanfälligeres 6-Gang-Getriebe... Denn merket auf: der rote Drehzahlbereich beginnt bei uns ja erst ab 8.500 U/Min., gelle? Da war ich zwar noch nie, aber da sollten insbesondere die mal rein drehen lassen, die der Meinung sind, unsere Auspuffanlage sei zu "weichgespült" und höre sich bestenfalls nach "Karnickelfurz" an (irgendwie stimmt das ja auch)... Fahrt doch mal an einem Fußgänger im 2. Gang bei 8.000 U/Min. vorbei und fragt anschließend, ob er die Maschine gehört hat... Wahrscheinlich hat ihn aber die Luftverdrängung "umgeblasen"... Ich bin mal mit über 200 km/h auf der AB an einem Kumpel mit seiner BMW K1100 LT vorbei gefahren. Beim nächsten Stop hat er den "geilen Sound" meiner FJR gelobt, von dem ich nichts - aber auch gar nichts - mitbekommen habe... Aber zurück zum Getriebe: Das Getriebe ist prima abgestimmt. Es ist an uns, es so zu fahren, wie es die Entwickler vorgesehen haben... Wir sind die, die "weichgespült" fahren, weil wir nicht laut unterwegs sein wollen, nicht so viel Sprit verbrauchen (ist ja auch teuer genug...) und natürlich auch wegen der Umweltbelastungen schon ein derart schlechtes Gewissen haben, dass wir uns fast schämen, überhaupt mit einem (über-) motorisierten "Spaßfahrzeug" unterwegs zu sein, anstelle mit unserem ebenfalls in der Garage auf mehr "Einsatzzeit" hoffenden Fahrrad - jedenfalls geht es mir so. Kann ich ein 6-Gang-Getriebe ähnlich "schaltfaul" fahren, wie ich das jetzt mache? Wohl auch eher nicht... Wäre ich bereit dafür ebenfalls mehr Geld zu investieren? Also so ganz ehrlich - ich finde die FJR teuer genug.
7. Bin ich bereit, für eine andere Auspuffanlage, und zwar ebenfalls mindestens mit EU-Norm, die kein Mehr an Leistung - nur einen "dumpferen" Sound zur Verfügung stellt, bis zu 650,- € (und mehr) auf den Tisch zu blättern? Ganz ehrlich? Eher nicht! Und eine "Vier in eins"- Auspuffanlage Marke "Schlangennest meets Kanalrohr" - will ich auch nicht an meinem Mopped haben. Schon gar nicht, wenn auf der Seite, wo das Rohr endet, nur noch ein kleiner "BUKo" als Stauraum Platz findet...
8. Und dann war da noch die schlechte Qualität des Fahrzeuglackes und das überaus kratzempfindliche Windschild. Das war früher alles besser - klar. Mit Motorrädern, die duetlich weniger Leistung und Topspeed haben, gibt es diese Probleme nicht. Wenn bei über Tempo 200 km/h ein Mücke oder ein kleines Kieselchen der Verkleidung zu nahe kommt und ein hässliches Löchlein in der lackierten Plastikverkleidung zurück lässt, bin ich offen gestanden ziemlich froh, dass mich das Teil nicht erwischt hat und von meiner Hoser oder meiner Jacke "kompensiert" werden musste. Was da für Kräfte wirken... Und dass der LAck das nicht aushält ist auch irgendwie nachvollziehbar. Der heute aufgrund von geltendem Umweltrecht zu verwendende Lack hat zunehmend Wasseranteile und immer weniger benzolhaltige Substanzen. Auch wegen der biologischen Abbaubarkeit dieser Stoffe. Wo soll denn da eine "Wiederstandsfähigkeit" herkommen, die früher bei auschließlich auf benzolbasierenden Lacken üblich war? Hübsch aussehen und metallisch glänzen sollen sie ja auch noch und kosten darf es ja auch nicht mehr als bei der Konkurrenz... Die Jungs forschen ja schon wie die Wilden aber das dauert halt auch Alles seine Zeit. Derzeit wird an "schmutzabweisenden" Lacken gearbeitet und an Verkleidungs- und Chassis-Konsruktionen mit "Memory-Effekt" nach Unfällen (hab' ich im Fernsehen gesehen). Danach werden die Werkstätten der ferneren Zukunft nur noch relativ selten mit schweren Metallkonstruktionen zu tun bekommen sondern viel mehr mit Kunststoffen, die sich unter bestimmten Temperaturen ihrer ursprünglichen Form "erinnern" und sich "wie von Zauberhand" zu über 90 % selbständig "zurück formen" lassen - der Rest ist dann relativ schnell von entsprechenden Fachkräften "gefinished". Stephen Kings "Christine" wird in Punkto Reparaturfreundlichkeit vielleicht bald Realität werden... Und so kommen und gehen die Wünsche und Verbesserungsvorschläge... Natürlich hätte ich auch gerne ein elektrisch während der Fahrt verstellbares Fahrwerk... Aber brauche ich das wirklich? Bin ich wirklich bereit, für diesen "Knopfdruck" einen ganzen Huafen Geld mehr auf den Ladentisch zu legen? Hhm, also so ganz ehrlich? Eher nicht... Was spare ich denn, wenn ich es habe? 2 Minuten Einstellarbeit mit der Hand vor der Fahrt - und die auch nur wenn ich mit der WBSVA unterwegs bin, was bei mir eher selten der Fall ist.
Und für das, was Manfred sonst noch so alles in seiner Liste aufgeführt hat und was durchaus nachvollziehbar ist, wenn es einen denn gerade aktuell ärgert, gilt im Wesentlichen das Gleiche. Natürlich ärgert man sich, wenn man nur mal eben schnell an die Batterie will und nicht kann, weil das Teil derart bescheuert verbaut wurde, dass das Herankommen zu einem "Schrauberlehrgang" mutiert... Aber wie oft macht man es denn wirklich selbst? Ich gestehe: ich habe das noch nie gemacht - es war bisher auch nicht nötig! Meine RP13 springt selbst nach 2-3 Monaten Pause problemlos an - jedenfalls bisher immer. Und so lange das so ist, sehe ich keine Notwendigkeit, mir die Batterie von Nahem anzusehen... Und wenn es doch erforderlich wird, dann kann ich mich ja immer noch ärgern... Ich baue die Verkleidung über Winter in der Garage zu Reinigungszwecken mal ab, wenn ich sonst gar nichts Besseres zu tun habe und draußen Schnee liegt. Wenn mich dann noch ein Kumpel besucht, mache ich das Gasöfchen in der Garage an und wir stellen das eine oder andere Bier in den Schnee. Wir machen's uns in der Garage gemütlich bei Radioklängen und "Putzorgien"... Weil's Spaß macht - nicht weil ich das tun muss, damit die Kiste möglichst schnell wieder läuft.
Und so kommt Eins zum Anderen. Addieren wir die Mehrkosten für die Wünsche, die bisher schon geäußert wurden, kommen wir auch mit der FJR ganz schnell in die Preisregionen der BMW GT. Und sogar noch deutlich darüber hinaus. Die Frage ist halt: braucht man das wirklich und ist man bereit, dafür so viel mehr Geld in die Hand zu nehmen? Das muss jeder für sich entscheiden!
Fazit: Meine FJR RP13 ist das bis jetzt kompletteste, alltags- und reisetauglichste, pflegeleichteste, leistungsstärkste, sparsamste und bequemste Motorrad, das ich bisher hatte. Für mich und meine Anforderungen an ein Motorrad, der ideale Kompromiss... (Nein, "Bernd" ist nicht die europäische Schreibweise von "Yamaha"...). Natürlich gibt es immer Möglichkeiten, etwas Gutes weiter zu verbessern oder neue Erkenntnisse in die Modellpflege einfließen zu lassen - klarer Fall. Und das ist auch gut und richtig so. Denn ich gebe Manfred recht, der schreibt: Stillstand bedeutet Rückschritt! Und das, was heute als Innovation gefeiert wird, ist morgen traditionell und übermorgen veraltet - siehe Harley Davidson. Oder wie der Bayer so schön sagt: "A bissl wos geht ollaweil"... Denn wenn sie perfekt wäre, unsere FJR, dann würde sie ja jeder fahren, oder?
Viele Grüße aus Karben KarbenFJR (Bernd)
|